Willkommen im Traumwald
Mythen und Märchen

Die Schneekönigin


Viel Zeit war vergangen seit die alten Götter herrschten. Die Welt drehte sich weiter und die Menschen begannen zu vergessen. Asgard wurde ein Ort von dem man nur noch an den kalten Winterabenden den Kindern am Feuer erzählte. Erst an Lagerfeuern vor Hütten aus Lehm. Und irgendwann vor Kaminen in Häusern aus Stein…

 
Die alte Frau schaute in Gedanken verloren in den flackernden Roten Schein. 
„… und oben in Trymheim blieb die Schneekönigin, im Schloss ihres Vaters aus kaltem Stein und glitzerndem Eis und vergaß die Zeit. Nur manchmal, wenn die Schneestürme über die Erde peitschen, kann man sie sehen, wie sie mit den Schneeflocken tanzt. Sie schaut durch die Fenster und ihre kalte Umarmung trifft all jene, die glücklich sind und Liebe ihre Herzen wärmt.“  
„Kommt sie auch zu uns?“ fragte das junge Mädchen mit dem dicken blonden Zopf. Ihre Stimme verriet die Furcht eines Menschen der mit dem christlichen Glauben an Hölle und Bestrafung aufgewachsen war.   
„Nein, mein Kind. Hierher wird sie nicht kommen.“, sprach die Alte, die ihre Großmutter war mit beruhigender Stimme.   
Am Fenster stand ein Junge und blickte hinaus in den fallenden Schnee. Er war im gleichen Alter wie das Mädchen. Dunkle lockige Haare fielen ihm ins Gesicht über seine großen neugierigen Augen.
„Ich wünschte, sie würde kommen. Dann setze ich sie auf den warmen Ofen.“ Er lächelte Gerda an.
Oh ja, dann schmilzt sie.“ Die blauen Augen des Mädchens lachten wieder.
Sein Zeigefinger malte ein kleines Herz in die Eisblumen auf der Glasscheibe. Ihr Herz, vielleicht würde ihr Herz auftauen. Sie die Wärme fühlen können, die er für seine Gerda fühlte. Ein Gefühl, dass er Freundschaft nannte, aber das für sie Liebe war.  
Aber die Alte irrte sich. Skadi hatte die Menschen nicht vergessen. In einem großen Spiegel betrachtete sie die Welt, ihre Blicke wanderten von Haus zu Haus. Von Fenster zu Fenster, an deren Scheiben sie Blumen wachsen ließ… Und nun sah sie durch ein kleines Herz zwei sehnenden Augen. Sie lächelte und für einen Augenblick war Kai am Fenster, als würde er sie sehen. Mit wehenden schwarzen Haaren, weiß wie der Schnee mit kobaltblauen Augen. Erschrocken wich er zurück, als er ihre Stimme vernahm, hell und klar. 
„Auf den warmen Ofen möchtest Du mich setzten?“
„Ja“ hauchte er leise, denn er wusste, dass die anderen diese Stimme nicht gehört hatten. Dann verschwand das Gesicht vor dem Fenster wie ein nächtlicher Spuck im Morgengrauen. Und Kai ging zurück zum Kamin, kuschelte sich an seine Gerda. Legte seinen Arm um sie und spielte den Beschützer für sie, während die Alte weiter ihre Geschichten spann.

Jedes Jahr im Winter beobachtete sie das kleine Dachfenster in der großen Stadt. Sah ihn älter werden, während sie die Göttin bleib, die sie war, ohne das die Zeit eine Spur an ihr hinterließ. Ein schöner junger Mann war aus ihm geworden. Doch noch immer blickten seine dunklen Augen in den Winterhimmel und suchten nach einem längst vergangenen Traum. Auch Gerda war älter geworden. Und hübsch, wie auch Skadis Neid ihr lassen musste. Sie legte ihre Arme um ihn.
 „Was suchst Du da draußen?“
 „Ich warte auf den Frühling, meine Liebste.“ Er lächelte. Und sie setzten sich auf den Boden zu zwei Rosensträuchern, welche sie im die Wärme des Zimmers gebracht hatten, um sie vor der Kälte zu schützen. Einer trug rote Blüten. Als würde Blut von ihnen tropfen. Das Mädchen streichelte seine Blätter. Der andere Strauch trug weiße Blüten. Unschuldig und zart wie die Schneeflocken. Sie lächelte, als er eine dieser Blüten liebkoste.
 „Ja, denn im Frühling, werde ich endlich Dein sein.“, seufzte sie und schmiegte sich an ihn.
 „Dein für immer meine Gerda.“
 Für immer? Als wenn er wüsste, was das bedeuten würde. Ihre Faust traf die Oberfläche des Spiegels. Es knackte wie Eis auf einem See. Und dann brach er. In so viele klein Splitter, dass sie wie Staub zu Boden rieselten und durch ihr Fenster mit einem Windhauch davongetragen wurden.
Der Wind wurde zum Sturm und peitschte über die Welt. Hier und da nahm er Schindeln von den Dächern oder stieß ein Fenster auf. So auch jenes hinter dem Kai und Gerda saßen. Sie klammerte sich erschrocken an ihn. Wie damals, als die alte Großmutter von der Schneekönigin erzählt hatte. Ein Heulen trug der Wind mit sich. Doch Kai glaubte darin das Weinen einer Stimme wieder zu erkennen, die er seit langem nur mehr für einen Traum gehallten hatte. Suchend blickte er hinaus, in die hereinwehenden Schneeflocken. Als er einen kleinen Schmerz fühlte. Ein Stechen in seinem linken Auge.  Als er nach wenigen Augenblicken wieder aufsah, war die Welt verändert, denn er sah sie nun durch den Spiegel der Träume.  Er sah die Schneeflocken wie kristallene Blüten sich öffnen und in perfekter Schönheit das Sternenlicht reflektieren. Er sah in die Eisblumen am Fenster, wie ein wogender Wald durch den Einhörner und weiße Pfauen stolzierten. Und dann sah er ihr Gesicht in den silbernen Wolken. Wie traurig sie ihn ansah und jede ihrer Tränen wurde zu Milliarden von Schneekristallen die sie zur Erde hinabschickte. Kai sah sie und eine Sehnsucht erfüllte ihn.
Gedankenverloren trat er einen Schritt zurück und stolperte über den Kübel mit der roten Rose.
„Gib doch acht“, schollt ihn Gerda. „Fast hättest Du ihren Topf zerbrochen.“ Er sah hinunter, doch er sah nur einen Dornenbusch mit blutenden Fetzen, die ihre Opfer locken sollten. Nicht zu vergleichen mit der Schönheit der Blumen im Reich des ewigen Winters.
„Dann lass Deine hässlichen Pflanzen nicht hier im Weg stehen.“, antwortete er seiner Freundin und trat noch einmal nach dem Topf mit Dreck in dem sie wuchsen.
Der junge Mann lief die Treppen hinauf in die Kammer der Alten Frau. Sie saß am Feuer. Wie sie es immer getan hatte.
„Kai, mein Junge. Was möchtest Du.“, fragte sie.
 „Großmutter. Als wir klein waren, hast Du uns von Asgard erzählt und von der Schneekönigin die in Trymheim wohnt.“ Er schaute hinaus aus dem Fenster und sein Herz sehnte sich nach ihren Augen.
„Ich erinnere mich, mein Junge. Es sind die alten Geschichten unseres Volkes, die nicht vergessen werden sollten.“
 „Damals sagtest Du, es gäbe sie wirklich. Großmutter, gibt es noch einen Weg nach Jötunheim?“
 „Oh Kai. Bist Du nicht langsam zu alt für Geschichten. Im Frühling wollen Gerda und Du heiraten. Du solltest an andere Dinge denken als an die alten Götter. Die Geschichten sagen die Berge Jötunheims liegen tief in Utgard. Allein die Trolle und Riesen kennen den Weg dorthin. Vergiss die alten Sagen.“
Aber Kai konnte nicht vergessen. Seine Augen sahen durch den Traumspiegel die Schönheit nur noch mit ihren Augen. Die Welt war so viel faszinierender geworden. Draußen fing er Schneeflocken auf schwarzem Samt um sie besser betrachten zu können und schmolz mit seinen Händen Formen aus Eis in denen das Licht sich brach in bunte Farben. Schöner als jede Blume, die dahinwelkte, schrumplig wurde und grau, wie auch die alten Leute. Wenn die Eisblumen welkten, schmolzen sie zu Wassertropfen, die wieder zu Eis erstarrten. Die anderen Jungen stieß er von sich, wenn die ihn in seinen Studien störten. Und auch Gerda duldete er nicht mehr in seiner Nähe. Sie war wie diese Rosen, die nur darauf warteten, ihn einzufangen mit ihren Dornen. „Für immer“ – hatte er noch vor gar nicht so langer Zeit. Wie seltsam das nun klang. Wie verlockend die Ewigkeit. Aber nichts davon war Gerda mehr für ihn.


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